musikprojekte

Saxduo Graef-Goettert

Pressestimmen

Plärrer, Mai 1999, Jochen Schmoldt

"Das Resultat: vom ersten bis zum letzten Ton spannende, witzige, lyrische Dialoge zweier Musiker, die hörbar miteinander können, und dies sogar sehr gut!"

Jazzpodium, Juni 1999, Bernd Ogan

Künstlerische Offenheit und Toleranz - Friedemann Graef und Achim Goettert
Drei Konzerte an drei Abenden. Eines in der Dreieinigkeitskirche mit ausgefallener, aparter Akustik und Echoeffekten, eines in der Galerie "ac.t art", eingebunden in eine Vernissage des ungarischen Bildhauers und Objektkünstlers Botond, und eines in der Black Box der Nürnberger Tafelhalle. Friedemann Graef und Achim Goettert kennen sich seit vielen Jahren. Beide arbeiten im Bereich der improvisierten Musik im weitesten Sinne und lieben multimediale Projekte, beide sind zu Hause sowohl in Kleinstbesetzungen als auch in Großensembles. Die Grenzen vom Jazz zu anderen Gebieten moderner Musik sind bei beiden fließend. Austausch- und Dialogprozesse liegen ihnen sozusagen im Blut. Zwei Musiker also, die "miteinander können" und sich glänzend ergänzen. In der Regel zeichnen sich Dialoge dadurch aus, daß da zwei aneinander vorbeireden. Nicht so bei den Duo-Konzerten (und der entsprechenden CD- Einspielung) der beiden Improvisationskünstler aus Nürnberg und Berlin. Die bei Free Music Production erschienene CD "Saxoridoo" und die Live-Auftritte zeigen die beiden Saxophonisten im intensiven Zwiegespräch und im Dialog mit Neuer Musik und avancierten zeitgenössischen Klängen. Für aus- reichenden Gesprächsstoff ist also gesorgt. Als Komponisten und Improvisateure wissen Goettert und Graef, was es heißt, kompositionell Gesetztes mit spontan frei Erfundenem zu verflechten, spielerisch neue Klangbereiche zu erschließen und die ganze Spannbreite der Saxophonfamilie vom Sopran- übers Alt- und Tenor- bis zum Bariton- und Baßsaxophon auszuloten. Das Feld ist dementsprechend weit: vom "puren' Ton zu Überblastechniken, Mehrklängen und Kombinationstönen, vom Unisono zum zweistimmigen Spiel und zu vertrackten Verschachtelungen, vom ureigensten Jazz zu indischen Ragatechniken, von kunstvoll gesetzten Ostinati bis zur Simulation von Baß- und Schlagzeugeffekten, und das alles aufgeladen mit viel Energie, aber auch Gelassenheit. Die Duosituation ermöglicht kammermusikalische Transparenz. Man könnte die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören. Es offenbart sich ein lebendiger, lustvoller Prozeß des Miteinandermusizierens, der die Zuhörer überrascht, fesselt und alsbald in Bann zieht. Der B-Teil, die Suite "Zengö 19", entstammt der Feder von Achim Goettert. Die dreizehn Duette entstanden 1991 in frühlingslauer Stimmung in Ungarn im Gehöft Zengö 19 des teilweise in Nürnberg lebenden Bildhauers Botond. Der Zengö ist der höchste Berg des Mecsek, eines Gebirgszuges im Süden Ungarns. Die chromatisch aufsteigenden Stücke sind durchwegs in verschiedenen Stimmungen, Tempi. Kompositionsstrukturen und Stilistiken organisiert (und auch als Buch erhältlich) und bewegen sich zwischen Blues, Hardbop und balladesken wie swingenden Stilformen. Sie tragen allesamt ungarische Titel. Dazwischen auch mal eine minimalistische Walzeretüde oder einige Flamencotakte, schließlich wohnen in Ungarn auch viele Zigeuner. Im Mittelpunkt der Komposition steht aber ganz offensichtlich der Blues in all seinen Varianten. Joe Farrell blitzt da mal auf, Thelonious Monk oder die Coltraneschen Akkorde des Mollblues. Achim Goettert lag es schon immer am Herzen, in unterschiedlichen kulturellen Kontexten verschiedene Stilidiome zu kreativen und spannenden neuen Jazzformen zu amalgamieren. Die Frage: ,Warum die seltsamen, kaum aussprechbaren ungarischen Titel?' erübrigt sich also. "Jazz wird noch immer automatisch mit Amerikanismen assoziiert", so der Komponist. "Nun sind die Stücke aber am Zengö entstanden, in einer spezifischen Atmosphäre, und Jazz und Blues sind inzwischen längst international und grenzenlos. Jazz als Weltmusik inspiriert automatisch künstlerische Offenheit und Toleranz." Die Unterscheidung zwischen Jazz, E-Musik und ethnischer Musik wird auf diese Weise überflüssig, ja anachronistisch. Die Konzerte und die CD stellen dies meisterlich und mitreißend unter Beweis.

FRANKFURTER RUNDSCHAU, 30. 1.1999

Eins und eins macht in der Musik, wo sie gelingt, mehr als zwei. Wenn die beiden Saxophonisten Friedemann Graef und Achim Goettert zusammenspielen, dann ist dieses Duo, das auf eine Rhythmusgruppe verzichtet, eben mehr als bloß die Addition zweier Solisten. Die beiden improvisieren über insgesamt einundzwanzig zum Teil sehr kurze Stücke, die in zwei Suiten angeordnet sind, deren Material von jeweils einem der beiden stammt. Dieses Doppel, erschienen auf dem FMP-Label, zeichnet sich durch den völlig undogmatischen Umgang mit der Überlieferung aus. Manche Improvisationen swingen daher, als hätte es seit Parker und Coltrane keine Jazzgeschichte mehr gegeben, dann wieder wird sehr frei mit dem Material verfahren. Goettert, der seine Suite Zengö 19 bei einem Aufenthalt in Ungarn komponiert hat, ließ sich unüberhörbar auch von Baróks schöpferischen Verhältnis zur Folklore inspirieren. Und in dem Stück Menj, kerlec (Zieh Leine), zum Beispiel, wird zurückverwiesen auf barocke Muster. Immer aber gehen die Kombattanten höchst aufmerksam aufeinander ein. Die Unterscheidung zwischen "kommerzialisierter Popmusik und dem tendenziell 'kommerzfreien' Raum der musikalischen Novatoren", also zwischen Musik, die ja gerade deshalb kommerziell, verkäuflich ist, weil sie Pop, populär ist, und Musik, die nicht (in erster Linie) auf Verkauf zielt, eine Unterscheidung, auf der Hans-Klaus Jungheinrich in der FR vom 30.12.1998 besteht und zwischen deren Opponenten er "schwerlich eine ästhetische Versöhnung" sieht, wird hier obsolet. Die Duos von Graef und Goettert vermögen die von Jungheinrich herbeigewünschte "musikalische Neugier" zu erregen, ohne kompromißlerisch und esoterisch zu sein. Die Produktion ist dabei zu der in den Anfängen der Stereotechnik üblichen Gewohnheit zurückgekehrt, das Spektrum so zu nutzen, daß stets erkennbar ist, wer was spielt.

JAZZLIVE (Österreich) Nr. 122, 1999

"Die beiden deutschen Saxophonisten stehen zwar nicht so unbedingt im Rampenlicht der Impro-Scene, arbeiten aber unermüdlich als Pädagogen, Film- und Theaterkomponisten bzw. als Solisten im Bereich der Klassik bzw. Neuen Musik. All diese Einflüsse verquicken sie auf organische Weise in überzeugenden Duetten, in denen sie sich als hingebungsvolle Improvisatoren mit Jazzbezügen präsentieren. Von Jazz genährt ist die rhythmische Impulsivität und die Expressivität des Ausdrucks, die harmonischen wie melodischen Strukturen beruhen auf ausführlicher Kenntnis der europäischen Musiktradition. Ein zwangloser Umgang mit Traditionen, formuliert mit eigener Sprache, zu von pulsierendem Innenleben gekennzeichneten klanglichen Metamorphosen."

CADENCE (U.S.A.), Volume 25, Nr. 4 April 1999

Saxophonists Graef and Goettert, veterans of numerous German and international ensembles, both composerly and improvisatory, divide their CD into two very lengthy suites that employ a variety of compositional techniques and a range of saxophones. The first, 32 minutes long, is by Graef, the second, 41 minutes, by Goettert. The compositions range from rounds and canons through Weill to more traditional Jazz forms, to minimalism and sonic explorations, but what distinguishes the work is its extraordinarily clear performance values and adherence to strongly architectural musical principles. At times there's the feel of certain all-saxophone bands of the twenties, but there's simply gorgeous air in the two sopranos of 'Birds in the Station," the two players' sounds richly piping in one another's resonance, with Graef's sweetness almost uncanny. He's a master of surprising ranges, bringing the same cool detachment and perfection of timbre to his work on bass saxophone. While the two players'identities are often sublimated in the tightly written parts, their individuality is apparent in the number of pieces where their altos and tenors are paired and improvisation is more explicit. Graef is tidier, more precise, and a master of cool sonics; Goettert, more vocalic, looser and funkier. It´s a nice contrast, and the CD will appeal to those who enjoy ROVA`S broad spectrum of approaches. Though the pieces are grouped in lengthy suites, it´s a long ride, and the pieces are best savored individually.

JAZZIZ (U.S.A.), Volume 16, Nr. 5, Mai 1999, Patrick Hughes

These cerebral saxophone duets gracefully avoid the cold, calculating stereotype some assign to experimental European jazz - but just barely. The package reads like a math textbook: spare geometric shapes on the cover, Graef assigned to the left channel, Goettert to the right. Each musician is responsible for a suite comprising roughly half of the album's 72 minutes, with the songs split between blocky composition and polite improvisation. Graef and Goettert are names one might more quickly assign to physics professors than saxophonists, but the duo escapes pedantry by infusing their performances with an endearing playfulness.
Make no mistake, Saxoridoo is still a dry affair. Few would accuse the sections featuring overblowing or bass sax of being too robust. One caveat is the extreme likeness to Steve Lacy's work. In a blindfold test, nobody would be faulted for pegging Saxoridoo as one of Lacy's saxophone-duet recordings. Some of Lacy's affinity for tonal warmth and inclination to swing is here, along with something similar to his combination of interlocking note sequences and free improv. Both Graef and Goettert confidently wield the soprano sax, but the album's range is greatly expanded by the liberal use of the tenor, alto, bass, and baritone horns. The playing overwhelmingly resides in the high and uppermiddle registers.
Perhaps it's a case of like minds rather than mimicry. Like Lacy, Graef and Goettert each have an admirable work ethic and an impressive resume spanning jazz, chamber music, improv, and collaborations with theater, dance, film, and the visual arts. Synthesizing this wide variety of artistic strategies makes for an organic, slyly mercurial musical experience with enough interesting ideas that any overt similarities to Lacy's approach can be easily forgiven.

 

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